Tag 3, Teil 1/ Ballerina

Sonntag 02.08.2015

Ballerina

Sean

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich nicht mehr ganz so geschlaucht. Bei Eron zu schlafen und einen ruhigen Abend zu verbringen, hatte mir gut getan. Ich hatte keinen Albtraum gehabt und wurde auch nicht unsanft geweckt. Ich sah auf mein Handy, gerade mal acht… Keine Anrufe, keine SMS. Meiner Mutter war es anscheinend schnuppe wo ich war.

Ich sah zu Eron rüber, der immer noch tief und fest schlief. Ich war hell wach. So viel Schlaf war ich überhaupt nicht gewohnt. Ich wollte Eron nicht wecken, deshalb entschied ich mich dazu, einfach zu gehen. Er würde sich schon melden wenn er wach wurde, und sich fragte wo ich war. Ich kletterte so leise wie möglich aus dem Bett und verschwand nur kurz im Bad um auf die Toilette zu gehen. Dann machte ich mich auf den Weg nach Hause. Hoffentlich würde meine Entspannung noch ein wenig anhalten…

Zoey

Als ich zum Frühstück nach Hause kam, anstatt wie gewohnt, von oben aus meinem Zimmer, sah meine Mutter mich ziemlich überrascht an: „Wo kommst du denn jetzt her?“ Ich zeigte auf meine Sportkleidung und zog den MP3 Player aus meinem Ohr: „Ich war Joggen.“ „So früh? Du musst verrückt sein…“ Stellte Alex fest und gähnte. Sein persönlicher Diener schenkte ihm Kaffee ein. Er bedankte sich nicht einmal. 

Ich hielt nach Miranda Ausschau, die grade auf mich zukam: „Möchtest du zuerst Duschen Zoey? Oder sofort Frühstücken?“ „Am besten lassen sie ihr erstmal ein Bad ein Miranda.“ Warf meine Mutter dazwischen. Gute Idee, vielleicht konnte ich dann alleine Frühstücken und musste ihren Ton nicht länger ertragen. „Sofort Madame.“ Sagte Miranda mit einem kleinen Knicks und verschwand aus dem Raum. 

Ich griff nach einem Toast und beschmierte es schnell mit Marmelade. „Du wirst ja wohl gleich noch genug Zeit haben, ganz in Ruhe zu frühstücken.“ Meine Mutter beobachtete mein Tun skeptisch. Ich schüttelte den Kopf und biss schnell in mein Brot, ich wusste genau was sie von meinen Manieren hielt, aber ich wollte ihr einfach zeigen, dass ich bei ihrem Getue nicht mit machen würde. Ich würde niemals so werden. „Ich fahr danach direkt ins Fitnessstudio, ich hab da einen Raum entdeckt in dem ich tanzen kann.“ Meine Mutter zog skeptisch eine Augenbraue nach oben, aber sie sagte nichts. „Bis später.“ Warf ich ihr entgegen und flüchtete nach oben.

Sean 

Als ich zu Hause ankam, herrschte vollkommene Stille, was mich ziemlich erleichterte. Steffen und meine Mom schliefen noch. Bei einem kurzen Blick in die Küche, stellte ich fest dass meine Mutter mittlerweile die Einkäufe weggeräumt hatte. Die schmerzlichen Erinnerungen an gestern kehrten sofort wieder zurück, aber ich wollte mich davon nicht runter ziehen lassen. Der Tag hatte so gut angefangen. Ich schmierte mir schnell ein Brot zum Frühstück und verschwand dann im Bad. Ich wollte wieder weg sein, bevor einer von Ihnen aufwachte. Auf dem Weg nach Hause, hatte ich mir vorgenommen, den Tag mit einem Workout zu starten, ich konnte die Abwechslung gut gebrauchen und später musste ich arbeiten. 

Im Zimmer von Leni und mir versuchte ich so leise wie möglich ein paar Sport Klamotten raus zu kramen, aber Leni wachte trotzdem auf. Sie sah mich verschlafen an und rieb sich die müden Augen: „Wo gehst du hin? Warum hast du nicht zu Hause geschlafen?“ Wahrscheinlich war sie die einzige gewesen, der das überhaupt aufgefallen war. 

Ich setzte mich zu ihr ans Bett: „Ich hab bei Eron geschlafen.“ Sie nickte und sah auf meine Sportsachen. „Ich geh zum Sport, und danach muss ich arbeiten. Kommst du solange klar?“ Ich streichelte ihr über den Kopf. Steffen hatte ihr noch nie etwas getan, sonst könnte ich sie nicht alleine lassen. Sie nickte: „Schläfst du heute wieder bei Eron?“ Wollte sie dann wissen. Ich lächelte: „Nein, nach der Arbeit komm ich nach Hause, versprochen.“ Sie lächelte ebenfalls und drückte mich dann kurz: „Ich warte dann auf dich.“

Zoey 

Die freundliche Mitarbeiterin von gestern zeigte mir noch einmal den Raum, in dem ich trainieren konnte und erklärte mir die Musikanlage. Ich hatte meine eigene CD dabei, auf der meine Lieblings Tanz Lieder waren. Nachdem sie mich allein gelassen hatte, schaltete ich die Musik ein und begann mit meinen Dehnübungen um mich auf zu wärmen. Es tat gut, sich wieder so zu bewegen, ich merkte doch, wie stressig der Umzug und die damit verbundenen Veränderungen für mich waren und war froh das ich noch das tanzen hatte, wo ich alles andere vergessen konnte… 

Sean

Nach dem Gespräch mit Leni, hatte mich mein schlechtes Gewissen wieder eingeholt. Ich ließ sie viel zu oft allein. Ich hatte meine Arbeit und meine Freunde und irgendwann musste ich mich auch mal um mich kümmern, aber ich fragte mich ob ich sie nicht einfach öfter mitnehmen konnte. Auch jetzt hätte ich sie mitnehmen können. Aber was hätte sie hier machen sollen? Mich dabei beobachten wie ich den Box Sack verprügelte der vor mir hing? Nein, ich musste einfach mal allein sein, den Frust der mich in den letzten Tagen eingeholt hatte einfach raus lassen. Mich abreagieren.

Ich boxte mit voller Wucht gegen den Box Sack, der heute schon einiges von mir aushalten musste. Er schwang zurück und dann wieder zu mir und ich schlug mehrmals auf ihn ein. Ich stellte mir vor ich würde all meinen Schmerz einfach damit weg prügeln. Es war mir egal das mein Körper mir von dem Unfall immer noch weh tat, die Schwellung an meinem Knie hatte sich leider noch nicht zurück gebildet und die Schürfwunden an meinen Armen, brannten bei jedem Schlag. 

 

Irgendwann umklammerte ich den Sack erschöpft, ich war so aus der Puste, das meine Lunge schmerzte. Mit einem Handtuch wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und ließ mich dann gegen die nächstgelegene Wand sacken. Ich ließ mich einfach davor sinken und vergrub den Kopf in meinen Händen. Da das Atmen immer noch schmerzte, legte ich den Kopf schließlich gegen die Wand und versuchte mich zu beruhigen.

Dann hörte ich Musik. Klassische Musik, so als würde jemand nebenan Klavier spielen. Ich war ziemlich häufig hier, aber noch nie hatte ich gehört dass hier jemand diese Musik spielte. Das war mir neu und passte nicht wirklich in ein Fitnessstudio, ich hätte hier andere Musik erwartet. Ich versuchte die Musik zu ignorieren und als ich das Gefühl hatte mich wieder ein wenig beruhigt zu haben, stemmte ich noch ein paar Gewichte.

  Danach fühlte ich mich so platt, das ich sofort wieder hätte ins Bett fallen können. Ich wischte mir mit dem Handtuch übers Gesicht, während ich den Trainingsraum verließ, die Musik spielte immer noch und jetzt konnte ich sehen woher sie kam. Vor der Tür zum nächsten Trainingsraum blieb ich stehen um nicht direkt gesehen zu werden und sah sie tanzen.

Ich konnte nicht leugnen dass sie hübsch war. Gleichzeitig fragte ich mich aber, ob es ein Fluch war, das ich ihr schon wieder begegnete. Sie tanzte Ballett, bewegte sich anmutig zur Musik. Eigentlich nicht meine Tanzrichtung, aber bei ihr wirkte es… beruhigend. Ihre blonden Haare hatte sie sich zu einem Dutt gebunden, sie trug einen engen Body und eine Leggins, weswegen man ihre Silhouette ziemlich gut erkennen konnte. Sie war unglaublich attraktiv.

 Ich konnte einfach nicht weg sehen, sie bewegte sich so anmutig und sanft das ich nicht von ihr los kam. Als sie sich mehrmals drehte und dabei eine Figur formte, blieb sie plötzlich mit dem Gesicht zu mir stehen und sah mich. Ich wollte weg sehen, nicht so auffällig sein, aber ich schaffte es nicht meine Blicke von ihr zu lösen, irgendetwas zwang mich, weiter hin zu sehen. Sie lächelte verlegen, ließ sich aber nicht stören, löste ihre Blicke wieder von mir und tanzte einfach weiter.

„Die hat mal Stil.“ Kai riss mich aus meinen Gedanken und grinste mich frech an, als ich meinen Kopf zu ihm drehte. Ich seufzte, konnte meine Blicke aber nur kurz von Isabelle lösen, beobachtete sie stattdessen weiter. „Hallo? Erde an Sean?“ Kai tippte mir auf die Schulter, ich sah ihn leicht genervt an: „Was ist denn?“ Ich wollte nicht so schroff klingen, aber es war zu schön ihr zu, zu sehen und alles andere zu vergessen.

Kai grinste und fing an mit seiner Fragerei: „Was hab ich gestern verpasst? Thomas hat da sowas angedeutet?“ Ich seufzte: „Du hast nichts verpasst, Thomas wollte sich in eine Bar einschleichen um den neuen Präsidenten Zuwachs zu sehen.“ Ich hatte es kaum ausgesprochen da fiel mir ein, wen ich die ganze Zeit beobachtet hatte. „Und? Seid ihr rein gekommen?“ Ich schielte wieder zu Isabelle rüber, die immer noch tanzte, was machte ich eigentlich hier? Dann widmete ich mich wieder Kai: „Ja, Eron kannte den Türsteher.“

Ich löste mich von meiner Position und ging in Richtung Kabinen, wo sich auch die Duschen befanden. Kai folgte mir: „Ja, und weiter?“ „Kai… lass dir das doch einfach von Thomas erzählen, der ist der einzige der sich, außer dir, brennend für sie interessiert.“ Mich nervte diese ganze Situation. Kai hob entschuldigend die Hände: „Ist ja gut, sorry…“

Zoey

Ich hatte in meiner Tanzlaufbahn schon viele Auftritte gehabt, und war es deshalb gewohnt dabei beobachtet zu werden, aber das hier war anders. Es war er, der Typ der die ganze Zeit schon eine eigenartige Wirkung auf mich gehabt hatte. Der mit den wunderschönen Augen, der, der sich nicht mit Alex verstand. Ich fühlte mich nicht gestört, aber seine Anwesenheit machte mich nervös und ich verpatzte ein paar Schritte. Als ich zu ihm rüber gesehen hatte, hatte ich nicht das Gefühl das es ihm unangenehm gewesen war, er wusste wer ich war, und das ich zu Alex gehörte, trotzdem war er nicht gegangen. Doch als ich ihn angelächelt hatte, reagierte er nicht. Was trieb ihn dazu, mich zu beobachten? Als ich das nächste Mal zu ihm rüber gesehen hatte, unterhielt er sich mit einem blonden Typen, der öfter hier zu sein schien, denn er wirkte ziemlich trainiert. Es hatte mich fast gestört das er mich nicht mehr beobachtet hatte. Und jetzt, wo ich wieder zu ihm sah, war er verschwunden…

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Tag 3, Teil 2/ Abfuhr